"Grosse" Motorwartung OM617 bei 300000km...

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"Grosse" Motorwartung OM617 bei 300000km...

Beitragvon peterb » 02.10.2021, 19:48

Hallo Arnoldfreunde,

nachdem die Krümmerdichtung vom Auspuff der Anlass war einige Dinge zu kontrollieren und ggfls. zu erneuern, hier der entsprechende Bericht dazu. Nachdem ich viele Teile bereits vorbeugend eingekauft hatte ergab sich dabei die Chance die auch gleich vorbeugend auszutauschen, damit für die nächste Zeit keine besonderen Ausfälle zu befürchten sind. Schlieslich wollen wir nach Möglichkeit auf eigener Achse wieder heim kommen, statt Wochen darauf zu warten, dass der gelbe Engel die Fuhre wieder heimbringt....

Hier die Aufstellung der vorgenommenen Arbeiten....

Starten wir mit dem Ventildeckel und den Einspritzdüsen:
- Ventildeckel also runter und Ventilspiel prüfen. Ein Ventil hatte warum auch immer zu wenig Luft...
- Einspritzdüsen kamen raus und wurden durch neue von Monark Typ SD 265 ersetzt. Austausch gegen die alten war einfach, da diese beim letzten Service schon mal ersetzt wurden (Markenware Made in Germany), aber bei der erneuten Überprüfung kein zufriedenstellendes Spritzbild zeigten...
- Weiter geht es mit Ausbau Thermostat und Wasserpumpe, was bei der Wasserpumpe ohne Spezialwerkzeug so gut wie nicht machbar ist. Es braucht einen Schlüssel mit 74mm Schlüsselweite, oder Spezialwerkzeug vom MB. Schlüssel muss man sich zur Not aus Flacheisen zusammen schweissen, oder jemanden kennen, der einem was passendes ausleiht, was bei mir der Fall war (LKW-Werkstatt).
- Thermostatgehäuse wurde zerlegt, Korrosionsprodukte an Dichtflächen und Schlauchanschlüssen beseitigt und die M6-Schrauben gegen Edelstahlstahl ausgetauscht. Natürlich auch neue Dichtung für den Thermostat, weil wg. 3€ möchte man später nicht alles nochmal zerlegen müssen...
- dto. bei Wasserpumpengehäuse. M6er Schrauben wurde nicht getauscht, aber mit Hylomar eingesetzt. Dann wurde auch gleich eine neue Wapu eingebaut und auch die Viskokupplung gegen eine neue von MB (glücklicher Kauf eines NOS-Teils ;-)) ausgetauscht.
- Weiter geht es mit der Steuerkette. Prüfung der Steuerzeiten mittels Messuhr ergab eine Längung von 10° Kurbelwelle, d.h. Ventile öffnen und schliessen entsprechend später. Nachdem spätestens bei 15° ein Austausch notwendig ist, wurde diese erneuert. Problem: es gibt fast ausschliesslich Ketten mit zu vernietendem Verschlussglied, wobei es kaum Werkstätten gibt die ein solches Werkzeug haben, was man ausleihen könnte... und natürlich keine Werkstätten die das ohne weiteres machen würden. Zum Glück hatte ich bereits seit ein paar Jahren eine Steuerkette mit Kettenschloss liegen,eine TC23136 von AE/Federal Mogul (hat Roman auch verwendet), was die Arbeit erleichtern sollte. Nur: Kettenschloss ist eigenes Risiko! UND: Die Steuerkette hat dünnere Bolzen als das Original. UND: Nachmessung der Steuerzeiten gab eine Abweichung zu den Werksvorgaben von 5°, d.h. diese ist durch Toleranzen etwas länger als Original (nach meiner Berechnung ca. 0,04mm/Kettenglied), sprich es wird früher die Verschleissgrenze erreicht.... Wer das nicht will greift zum Originalteil für 220€, oder evtl. INA, oder Febi.... wozu ich aber keine Info vorliegen habe....
- Neben der Steuerkette wurde auch Spannschiene und Spanner erneuert. Problem bei der Spannschiene: Nachbauteilen fehlt die Kennbohrung für die Dieselversion. Ich habe die dann selbst gebohrt (Durchmesser egal), damit ich die Schiene mit Bindedraht an der Bremsleitung aufhängen und passend zur Bohrung des Lagerbolzens ausrichten kann.
- Ausziehen des Lagerbolzens: Dazu braucht es entweder Spezialwerkzeug MB, oder einen Schlaghammer, oder man baut die Auswuchtscheibe der Kurbelwelle ab. Nachdem ich den Visko raus hatte ging es mit dem Schlaghammer.... Eingeschlagen habe ich den Bolzen dann mit dem Schlaghammer, wobei eine lange Stecknuss aus dem 3/8-Sortiment als Gegenlager diente.
- Dann Auswuchtscheibe runter und den Dichtring der Kurbelwelle getauscht. Abzieher Eigenbau in Verbindung mit Stecknuss als Unterlage. Für den Wiedereinbau Kennzeichnung von Schraubenposition und Auswuchtscheibe zur KW nicht vergessen! Für den Einbau der Auswuchtscheibe, sofern die streng auf der Welle sitzt, empfiehlt sich anwärmen bei ca. 100°C. Dazu habe ich unseren Weber Q1000-Grill zweckentfremdet (hat nachgerüstetes Thermometer für Garraumtemperatur ;-), was es möglich gemacht hat die Scheibe mit den Passstiften anzusetzen und dann mit der KW-Schraube und Ratsche ohne Problem aufzuziehen.
- Dichtring der Kurbelwelle: Auch dieser war ein Problem, denn einzige Lösung war das Anbohren des Metallrings und ausziehen mittels Schlaghammer mit Haken an der Stange....
- Nächster Teil: Ausbau der Unterdruckpumpe zwecks Überprüfung der Ventile und der Laufrolle. Wenn diese verschleisst, oder Lagerdefekt vorliegt, dann braucht es einiges an Teilen neu.... War aber OK.
- Zuletzt dann Überprüfung des Förderbeginns. Hierzu gibt es verschiedene Methoden, beschrieben in MB-Anleitungen, oder z.B. bei "Kerzendorf" und anderen Webseiten nachzulesen. Nachdem es entweder Spezialwerkzeug braucht, oder ein gutes Auge für den Blick in uneinsehbare Bereiche, oder eine nette Sauerei mit auslaufendem Diesel bei der Prüfung bedeutet, habe ich auf Basis der bestehenden Methoden was Neues überlegt, was ohne Sauerei und teure Sonderwerkzeuge auskommt. Hierzu habe ich einen Einspritzleitungsanschluss mit Schlauchstücken mit einem dünnen Schlauch, im speziellen Fall von einem Infusionsbesteck ;-), adaptiert und einer dazu passenden grösseren Spritze versehen. Mit der Spritze wird Diesel, z.B. aus einem Glas, in den Schlauch eingesaugt und dann der Anschluss an der Einspritzpumpe lose aufgeschraubt. Dann Diesel ausdrücken und wenn er aus der Verschraubung austritt diese festschrauben. Anschliessend mit der Spritze Unterdruck erzeugen, damit Restluft in den Schlauch Richtung Spritze aufsteigt. Ggfls. Einspritzpumpe noch mit der Handpumpe entlüften... Damit kein Diesel aus der Leckölleitung ausläuft herausläuft diese nach oben verlegen (oder mit der Spritze verschliessen). Anschliessend Spritze abziehen und den Schlauch senkrecht nach oben legen und an der Kühlwasserleitung für die Heizung fixieren. Ggfls. die Verschraubung nochmal lösen, damit der Spiegel des Diesels im Schlauch soweit absinken kann, dass dieser im sichtbaren Bereich liegt. Eine Handleuchte im Innenraum macht diese Stelle zudem super sichtbar.... Spritze anschliessend auf die Leckölleitung stecken, damit diese auch dicht ist. Dann geht es an den Förderbeginn. KW langsam drehen, was gar nicht so einfach ist, weil diese sich immer ein paar Grad dreht :shock: , d.h. es braucht mehrere Versuche, wobei man versuchen sollte den Nenneinstellwert von 24° vorab möglichst genau zu erreichen und dann langsam weiterdrehen und nach dem Steigen des Diesels im Schlauch den zugehörigen Wert ablesen. Dann muss man abschätzen... 1-2° darf man abziehen und man hat den Förderbeginn. Wissenswert, wg. gedehnter Steuerkette: 5° Verzug der Steuerzeiten Nockenwelle an der Kurbelwelle, bedeuten ca. 2° Verzug beim Förderbeginn, sofern da noch keiner was verstellt hat. Das ist nicht optimal, aber wohl innerhalb der Toleranzen.... Besserung bringt eine "bessere" Steuerkette, oder Versatzscheiben für die Nockenwelle und Nachjustierung der ESP. Letzteres ist aber nur was Perfektionisten, wobei ich hierzu ggfls. zu späterem Zeitpunkt noch Bericht erstatte....
Dann hier ein Bild von der Spannschiene und einer anderen zum Vergleich mit 180000km Laufleistung:
Bild
Wie man erkennt ist die Kette schief gelaufen, weil sich der Kettenspanner in den Druckbolzen versetzt "eingearbeitet" hatte. Verschleiss des Gleitbelages steigt mit steigender KM-Leistung und ist unten im Kettenkasten am grössten, während dieser im oberen einsehbaren Bereich nur etwa die Hälfte ist. In Zahlen: 1,5/0,8mm bei der oberen und ~1/0,5 bei der unteren im Bild...

Das war es fürs Erste. Hier dann ein Bild der Sonderwerkzeuge:
Bild

Nicht im Bild, aber benötigt: Messuhr mit Magnetständer und Unterdruckpumpe (Bremsenentlüfter für Moped). Die Unterdruckpumpe wird während der Drehungen der Kurbelwelle zwischen Förderende und bis kurz vor Förderbeginn von Zylinder1 (~30-40° vor OT) an die Unterdruckdose der ESP angeschlossen und Unterdruck erzeugt bis der Stopphebel in Endlage ist. Damit wird dann bei der KW-Drehung kein Kraftstoff gefördert und es tropft auch nichts aus offenen Einspritzleitungen...
- Dichtheitsprüfung Kühlsystem: Hier empfiehlt es sich nicht gleich alles final einzubauen, sondern provisorisch, denn die Anschlüsse der Kühlschlauche sind nach erfolgter Reinigung der Anschlussstutzen und Beseitigung der Korrosionsprodukte, wg. Verformung des Gummis, nicht unbedingt sofort dicht. Besser: Alles verschrauben, warten und setzen lassen und dann nochmal die Schellen nachziehen....

Die erste Probefahrt nach Abschluss der Arbeiten war erfolgreich. Der Motor läuft wieder schön rund, wie es sich für einen 5-Zylinder gehört :-)

Viele Grüsse

Peter

P.S.: Bei Fragen stehe ich und hoffentlich auch Roman gerne zur Verfügung.

P.P.S.: Vorsicht beim Ausbau des Kühlers, bzw. Ablassen Kühlwasser! Dies gilt im speziellen für Messingkühler und das bei allen Motorisierungen. Falls sich die Ablassschraube nicht leicht lösen lassen sollte: Finger weg, denn bei Gewaltanwendung wird sich der Wasserkasten verformen, reisst ggfls. ein und muss dann gelötet werden. In so einem Fall, oder besser gleich, zum Ablassen den unteren Schlauch lösen. Grosses Auffanggefäß vermeidet dabei grössere Sauerei...
Arnoldfahrer seit 1994; RM35S Bj.80 (2012-2017), RM38L Bj.82 (1994-2023; unser erster nach langer Suche) und RM40 Bj.84 (seit 2016; so gut wie fertig und ständig damit unterwegs...).
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